Tagung 2020

 

„Dispositionsformen und Ordnungsvorstellungen
bei Grimmelshausen und in der Literatur der Frühen Neuzeit“

6.-7. August in Münster

- Alternativtermin bedingt durch die Corona-Pandemie.
Bitte beachten Sie das aktualisierte Tagungsprogramm -

„Sonsten wäre dieses billich das zehende Theil oder Buch deß Abentheuerlichen Simplicissimi Lebens-Beschreibung/ wann nemlich die Courage vor das siebende/ der Spring ins Feld vor das achte/ und das erste part deß wunderbarlichen Vogel-Nests vor das neundte Buch genommen würde/ sintemahl alles von diesen Simplicianischen Schrifften aneinander hängt/ und weder der gantze Simplicissimus, noch eines auß den obengemeldten letzten Tractätlein allein ohne solche Zusammenfügung genugsam verstanden werden mag.“ Mit diesen Worten verabschiedet sich der ungenannte Autor oder vielleicht der pseudonymisierte Secretarius Nemonius in der „Vorrede“ zum zweiten Band des Vogel-Nests vom Publikum und erklärt so das folgende „Tractätlein“ zum letzten Teil des Simplicissimus Teutsch. Gleichzeitig behauptet er die Einheit oder Einheitlichkeit genannter Romane, deren Zusammenhang den Lesenden als notwendige Voraussetzung zum richtigen Verständnis vorgesetzt wird. Sowohl über die „Zusammenfügung“ als auch über die erklärte Intention ist sich die Forschung uneinig. Waren es pekuniäre Interessen, die den Verfasser leiteten, oder lässt sich tatsächlich eine Einheit ausmachen, die Grimmelshausen vor, während oder erst zum Schluss des „Simplicanischen Zyklus“ vor Augen stand?

Die Tagung nimmt sich vor, Fragen nach Einheit und Einheitlichkeit auf makrostruktureller Ebene nachzugehen. Das zu beleuchtende Korpus beschränkt sich dabei nicht auf die Simplicianischen Schriften; es darf und soll die Werke Grimmelshausens, deren allfällige Zusammenhänge und analoge Übereinstimmung sowie die relevanten rhetorischen und poetologischen Äußerungen umfassen, die im Zeitalter des Barock Komposition und Disposition literarischer Werke anleiten, um so die Vorstellung von Einheit und Geschlossenheit eines Werkes überhaupt zu begründen. Wie wurde Werkförmigkeit in der Frühen Neuzeit konzipiert? Gerade für die Romanformen, aber nicht nur für diese, sind die genannten Fragen virulent, finden sich gattungsaffine Betrachtungen doch bestenfalls in vereinzelten programmatischen Äußerungen oder aber in den zu untersuchenden Strukturen selbst. Zu erörtern ist in diesem Zusammenhang die grundlegende Frage, ob und inwiefern die angeblich offenen pikarischen Dispositionen einer übergeordneten, gesetzmäßigen oder zumindest regelmäßigeren Ordnungsvorstellung zugeführt werden. Sie ist mit Blick auf die historische Bedeutung der Romanproduktion für die literarische Formgeschichte des 17. Jahrhunderts erneut zu stellen. Zur Klärung der genannten Fragen bietet es sich an, vergleichend die OEuvres benachbarter deutscher und europäischer Autoren heranzuziehen. Nicht zuletzt sollen die Probleme der Disposition und Ordnung der Literatur allgemein und des Erzählens im Besonderen auch vor dem Hintergrund von Formen und Genres frühneuzeitlicher Ordnung und Erschließung gelehrten Wissens perspektiviert werden.